Die Bedeutung der ESRS für das ESG-Risikomanagement

February 21, 2023

Die Bedeutung der ESRS für das ESG-Risikomanagement

In diesem Blogartikel erfahren Sie, wie Nachhaltigkeit und Risikomanagement zusammenhängen, was sich im Risikomanagement verändern wird, welche Anforderungen die neuen ESRS-Standards an das Risikomanagement stellen und was jetzt konkret für Sie zu tun ist.

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS, Entwurf Nov '22) vereinheitlichen die Berichterstattung von Unternehmen im Hinblick auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte und verändern die Anforderungen an das Risikomanagement grundlegend. Unternehmen müssen sich ganzheitlich und systematisch mit den wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen auseinandersetzen und eine intensive Analyse ihrer Wertschöpfungskette durchführen. Neue Kompetenzen und Governance-Strukturen müssen aufgebaut und umgesetzt werden.

Ergebnisse des Global Risk Reports in der Übersicht
Der Global Risk Report zeigt: Sechs der zehn größten langfristigen globalen Risiken sind Klimarisiken. (Quelle: World Economic Forum2.)

Hintergrund: So hängen Nachhaltigkeit und Risikomanagement zusammen

“Dies ist keine Klimakrise, sondern eine planetare Krise.“ 1 Johan Rockström, wissenschaftlicher Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), brachte es in seiner Rede auf dem World Economic Forum in Davos auf den Punkt. Die Klimarisiken stellen laut dem Global Risk Report sechs der zehn größten globalen Risiken dar.

Diese Risiken haben direkte und indirekte finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen aller Art. So können physische Risiken durch geänderte Klimabedingungen oder Umweltschäden im eigenen Unternehmen oder in der vor- und nachgelagerten Lieferkette auftreten. Transitorische Risiken können sich durch geändertes Investitionsverhalten, veränderte Ansprüche von Arbeitnehmern/ Konsumenten oder Verschärfung gesetzlicher Vorgaben ergeben.

Das wird sich im Risikomanagement verändern

Ein exzellentes ESG-Risikomanagement ist daher notwendig, um finanzielle Risiken zu managen und zur Finanzierung einer grünen Agenda beizutragen. Dabei muss Risikomanagement immer aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet werden. Die Outside-In-Perspektive stellt die Sichtweise der finanziellen Wesentlichkeit dar und beschreibt die Auswirkungen der Umwelt auf das Unternehmen. Die Inside-Out-Perspektive beschäftigt sich hingegen mit der ESG-Materialität und verdeutlicht, welche Auswirkungen das Unternehmen auf die Umwelt und Gesellschaft hat.

Um die Risiken einer planetaren Krise zu bewältigen, muss Risikomanagement also ganzheitlich sein und auch ESG-Aspekte berücksichtigen. Unternehmen können auf diese Weise nicht nur ihre finanziellen Risiken managen, sondern auch zur Bewältigung der planetaren Krise beitragen.

„Unternehmen, die Nachhaltigkeitsrisiken nicht adressieren, haben höhere Kapitalkosten. Unternehmen ohne umfassendes Nachhaltigkeitsreporting unterstellen wir, dass sie diese Risiken nicht im Griff haben“ – Larry Fink, CEO Blackrock3

Die Forderung nach einem umfassenden Nachhaltigkeitsreporting wird auch von immer mehr Akteuren und Regularien unterstützt. Der deutsche Corporate Governance Kodex verpflichtet Unternehmen unter anderem dazu, nachhaltigkeitsbezogene Ziele in Strategie und Planung sowie im Kontroll- und Risikomanagementsystem zu berücksichtigen. Ebenso soll der Vorstand Auswirkungen, Risiken und Chancen nach dem Prinzip der doppelten Materialität identifizieren und bewerten. Blackrock CEO Larry Fink betonte in seinem Schreiben an Konzernchefs weltweit in 2020 ebenfalls, dass Unternehmen, die Nachhaltigkeitsrisiken nicht adressieren, höhere Kapitalkosten haben werden. Im Schreiben 2022 machte er Nachhaltigkeit als wichtiges Thema erneut deutlich: „Wir haben Nachhaltigkeit ins Zentrum unseres Handelns gerückt. Nicht etwa, weil wir Umweltschützer, sondern weil wir Kapitalisten und Treuhänder unserer Kunden sind. Dafür müssen wir verstehen, wie sich Unternehmen an die massiven Veränderungen anpassen, die sich in der Wirtschaft vollziehen.“4  Auch das Bafin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zeigt, dass die Finanzindustrie die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement fordert: Nachhaltigkeitsrisiken seien Faktoren bekannter Risikoarten, keine separate Risikokategorie. Nachdem verschieden Richt- und Leitlinien zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht wurden, lösen nun die neue CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und die dazugehörigen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) die vorherigen Berichtspflichten nach §289 HGB ab und unterstreichen die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Risikomanagement weiter.

Darum geht es in den neuen ESRS-Standards

Themen und Aspekte gelten laut CSRD als wesentlich, wenn sie entweder finanziell oder aus ESG-Perspektive wesentlich sind. (Quelle: Orbiture.)

Mit der CSRD wurde nicht nur ein einheitlicher Rahmen für die nicht-finanzielle Berichterstattung geschaffen, sondern auch Anwenderkreis und Berichtspflichten erweitert. Die ESRS legen die detaillierten Offenlegungsanforderungen für die CSRD fest. Dadurch ändern sich Umfang, Volumen und Granularität der offenzulegenden Nachhaltigkeitsinformationen. Die neuen Richtlinien erweitern die Berichtsgrenzen auf die gesamte Wertschöpfungskette. Somit muss die Betrachtung der unternehmerischen Auswirkungen, Risiken und Chancen nicht nur für das eigene Unternehmen, sondern auch für Akteure in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette betrachtet werden. Des Weiteren führen CSRD und ESRS das Prinzip der doppelten Materialität ein. Themen und Auswirkungen sind wesentlich, wenn sie finanziell oder aus einer ESG-Perspektive relevant sind - oder beides. Die Erweiterung der relevanten Aspekte durch die neue Herangehensweise ist bedeutend, da bisher nur Themen als wesentlich galten, die sowohl finanziell als auch ESG-wesentlich sind.

Diese Unternehmen müssen berichten

Ab 2025 müssen die ersten Unternehmen nach ESRS-Standards berichten. Der Anwenderkreis wird stetig ausgeweitet und gilt auch für kapitalmarktorientierte KMUs, wodurch in Deutschland ca. 15.000 und in der EU ca. 50.000 Unternehmen unter die Regelungen fallen werden.5

Um die praktische Umsetzung der ESRS zu erleichtern, bauen die Standards auf bestehenden EU-Richtlinien und Prinzipien auf und orientieren sich an EU-Nachhaltigkeitsrahmen wie der SFDR oder der EU-Taxonomie. Die ESRS maximieren die Konvergenz und Interoperabilität mit den internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS (International Financial Reporting Standards). Diese regeln die Aufstellung international vergleichbarer Jahres- und Konzernabschlüsse. Durch die Konvergenz von ESRS und IFRS wird doppeltes Reporting vermieden. Ebenso wurden die ESRS mit den Richtlinien, Vorgaben und Empfehlungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) und der Global Reporting Initiative (GRI) angeglichen. Zusätzlich werden weitere internationale anerkannte Prinzipien, wie z.B. die UN Guiding Principles on Business and Human Rights und die OECD Guidelines for Multinational Enterprises, einbezogen.

So sind die ESRS aufgebaut

Übersicht über die Struktur der ESRS-Standards
Die ESRS setzen sich auch Querschnittsstandards sowie themenspezifischen Standards und Unterthemen zusammen und berücksichtigen im wesentlichen vier Berichtsbereiche. (Quelle: Orbiture.)

Die ESRS setzen sich aus zwei Querschnittstandards und zehn themenspezifischen Standards in den drei Themenbereichen E (Umwelt), S (Soziales) und G (Governance) zusammen. Diese Standards strukturieren sich vorrangig nach den vier Berichtsbereichen Governance, Strategie, Management von Auswirkungen, Risiken & Chancen sowie Messgrößen und Ziele. Anforderungen an das Risikomanagement sind daher in allen ESRS-Standards zu finden.

Das schreiben die Standards für das Risikomanagement vor

ESRS 2: Diese Anforderungen ergeben sich aus den allgemeinen Angaben

Die ESRS 2 stellen allgemeine Anforderungen an das Risikomanagement von Unternehmen in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ziel ist es, ein Verständnis für das Risikomanagement des Unternehmens und interne Kontrollprozesse zu schaffen. In diesem Zusammenhang fordert ESRS 2 grundlegende Informationen zum Risikomanagement, zur Risikobewertung und Berichterstattung. Darüber hinaus sind Unternehmen verpflichtet, wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen offenzulegen und deren Management darzustellen. Als wesentlich gelten hier alle Themen, die entweder finanziell oder aus einer ESG-Perspektive wesentlich sind. Dabei sollen auch die Wechselwirkungen mit Geschäftsmodell und Strategie aufgezeigt werden.

ESRS E1-5: Welche Angaben zu Umweltaspekten gemacht werden müssen

Der Bereich „Umwelt“ umfasst die Themenfelder Klimawandel, Umweltverschmutzung, Wasser und Marine Ressourcen, Biodiversität & Ökosysteme sowie Ressourcennutzung & Kreislaufwirtschaft. Unternehmen müssen ihre Vorgehensweise zur Ermittlung wesentlicher Auswirkungen, Risiken und Chancen beschreiben und sowohl Informationen aus der Inside-Out- als auch aus der Outside-In-Perspektive offenlegen. Dies umfasst die Offenlegung der Auswirkungen des Unternehmens auf Umweltaspekte und die Identifikation von Geschäftsaktivitäten, die inkompatibel mit dem Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft sind. Ebenso geht es um die Risiken, die durch Umweltfaktoren für das Unternehmen entstehen.

Das schreiben die ESRS für Klimarisiken vor

Für die Bewertung physische Klimarisiken schreiben die ESRS die Verwendung eines Szenarios mit hohen Emissionen, wie z.B. IPCC SSP5-8.5, vor, während bei transitorischen Risiken Szenarien zu verwenden sind, die mit dem Erreichen des 1,5° Ziels des Pariser Klimaabkommens vereinbar sind. Klimabezogene Risiken müssen hier als Brutto-Risiken kalkuliert werden.

An das Klimarisikomanagement werden weitere konkrete Anforderungen gestellt. Unternehmen müssen ihre Richtlinien, Maßnahmen und Ressourcen offenzulegen, die sie für Identifizierung, Bewertung, Management und Behebung der wesentlichen umweltbezogenen Auswirkungen, Risiken und Chancen in der gesamten Wertschöpfungskette haben, um umweltbezogene Ziele zu erreichen. Die Standards geben dafür für jedes Unterthema viele verschiedene Themen an, über die berichtet werden können.

Relevante Themen werden mit Hilfe der vier Phasen des LEAP-Ansatzes identifiziert

Um die relevanten Themen zu identifizieren, müssen Unternehmen eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen. Während für das Unterthema Klimawandel separate Angaben gemacht werden, folgt die Wesentlichkeitsanalyse für die Standards E2-5 den vier Phasen des LEAP-Ansatzes. Hierbei werden in einem ersten Schritt die wesentlichen Auswirkungen des Unternehmens und der Wertschöpfungskette festgestellt, bevor im zweiten Schritt die Auswirkungen und Abhängigkeiten bewertet werden. Daraus abgeleitet werden die wesentlichen Risiken und Chancen sowie deren Bewertung im dritten Schritt, bevor die Ergebnisse entsprechend aufbereitet und berichtet werden müssen und wesentliche Themen weiterführend offengelegt werden.

ESRS S1-4: Wie soziale Themen nach den ESRS-Standards offengelegt werden müssen

In den ESRS S1-4 geht es um die Offenlegung von Richtlinien und Maßnahmen des Unternehmens mit Sozialbezug. Die Abschnitte legen genau fest, welche Informationen zu den Themenbereichen Eigene Belegschaft, Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette, Betroffene Gemeinschaften sowie Konsumenten & Endnutzer offengelegt werden müssen. Konkret geht es dabei um eine umfassende Darstellung der Strategien für Identifizierung, Bewertung und Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen in Bezug auf diese Gruppen und um die Veranschaulichung, wie das Unternehmen diese in seine Nachhaltigkeitsprüfungen und Entscheidungsprozesse miteinbezieht. Auch die formalen Kanäle, über die diese Gruppen Anliegen und Bedürfnisse an das Unternehmen herantragen können, und deren Wirksamkeit müssen offengelegt werden. Besonders wichtig sind auch Maßnahmen zur Verbesserung des Lebens der relevanten Gruppen sowie der Umgang mit Risiken und Chancen für diese.

ESRS G1: So müssen Governance-Themen offengelegt werden

Der Abschnitt ESRS G1 befasst sich mit der Governance des Unternehmens und legt offen, welche Richtlinien und Maßnahmen getroffen wurden, um negative Auswirkungen zu minimieren und positive Effekte zu maximieren. Es geht darum, Risiken zu überwachen und zu steuern, damit ein nachhaltiges Geschäftsverhalten gewährleistet werden kann. Dafür müssen Informationen über die Richtlinien und Maßnahmen in Bezug auf die Unternehmenskultur, über die Richtlinien und Maßnahmen in Bezug zu Beziehungen zu Lieferanten und in der Lieferkette sowie über Richtlinien und Maßnahmen zu Korruption und Bestechung offengelegt werden.

Fazit: Das können Sie jetzt tun

Die Auseinandersetzung mit den wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit erfordert eine ganzheitliche, systematische und szenariobasierte Analyse. Eine intensive Betrachtung der Wertschöpfungskette ist unerlässlich, um die Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft zu verstehen. Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre Kompetenzen und Governance-Strukturen aufbauen, um Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil des Geschäfts zu verankern. Da diese Änderungen tiefgreifend sind, müssen Unternehmen so früh wie möglich aktiv werden und sich der Umsetzung widmen.

So unterstützen wir Sie dabei

Wir stehen Ihnen gern bei der Umsetzung der neuen regulatorischen Anforderungen sowie dem Aufbau einer ESG-Risikogovernance und der Analyse von ESG-Risiken zur Seite.  Vereinbaren Sie gern ein unverbindliches Gespräch, in dem wir besprechen, wie wir Sie am besten unterstützen können.

[1] World Economic Forum (2023, 22. Januar). 'This is a planetary crisis’ says Director of the Potsdam Institute for Climate Impact Research, Johan Rockström. World Economic Forum 2023, Davos. https://youtu.be/YQKc23fQxfA

[2] World Economic Forum (2023, Januar). The Global Risks Report 2023. https://www.weforum.org/reports/globalrisks-report-2023/

[3] Blackrock / Larry Fink (2020). Larry Fink’s 2020 Letter to CEOs: A Fundamental Reshaping of Finance. https://www.blackrock.com/americas-offshore/en/larry-fink-ceo-letter#:~:text=Dear%20CEO%2C,long%2Dterm%20goals%20like%20retirement.

[4] Blackrock / Larry Fink (2022). Larry Fink’s 2022 Letter to CEOs: The Power of Capitalism. https://www.blackrock.com/corporate/investor-relations/larry-fink-ceo-letter

[5] KPMG. (o.J.). Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD): Was die neue CSRD der EU für Unternehmen bedeutet. https://kpmg.com/de/de/home/themen/uebersicht/esg/corporate-sustainability-reporting-directive.html#:~:text=Sch%C3%A4tzungsweise%20w%C3%A4ren%20damit%20rund%2050000,(%E2%80%9EDouble%20Materiality%E2%80%9C).

Illustration von
Gari Widodo

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